Wenn das Kreuz immer wieder schmerzt

Sie haben immer wieder Kreuzschmerzen? Dann sind Sie einer von vielen, die darunter leiden. Aber über Ursache und Behandlung gibt es inzwischen neue Erkenntnisse, die Ihnen sehr wohl helfen können. Dennoch sollte man sich immer bewusst sein, dass es keine schnellen Lösungen gibt. Der Kampf gegen wiederkehrende Kreuzschmerzen ist ein langer.
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Der aktuelle Stand der Dinge

Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft ist knapp zwei Drittel der deutschen Allgemeinbevölkerung innerhalb eines Jahres von Kreuzschmerzen betroffen; rund ein Fünftel berichtet im gleichen Zeitraum chronische, also drei Monate oder länger anhaltende, fast täglich auftretende Rückenschmerzen. Diese Schmerzen können die alltägliche Aktivität stark einschränken und Ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Wenn das Kreuz schmerzt, dann wird auch hier die Ursache als offensichtlich gesucht. Mit den besten Absichten, den Patienten zu helfen, werden kostspielige Röntgenbilder und MRTs der Wirbelsäule durchgeführt, worauf man „gravierende“ Auffälligkeiten finden kann, welche dann schnell als Ursache für die Schmerzen angesehen werden. Und das, während viele Menschen geschädigte Bandscheiben und Arthrose haben, aber überhaupt keine Schmerzen. Die Patienten denken, sie hätten ein ernsthaftes Rückenproblem und hören auf, aktiv zu sein und Sport zu treiben. Dinge, die gerade gut für sie sind.

Offenbar entspricht das, was man auf Bildern sieht, nicht immer der Realität. Den besten Eindruck über die mögliche Ursache des Kreuzschmerzes erhält der Arzt durch die Motorik des Beckens und der Hüfte zu untersuchen. Führt diese Untersuchung nicht zu einem klaren Ergebnis, so bleibt die bildgebende Untersuchung der naheliegendste nächste Schritt, um eine fundierte Diagnose zu stellen.

Die Hüfte als mögliche Ursache des Kreuzschmerzes

Alles in allem Grund genug, um die Ursachen von Rückenschmerzen aus einer motorischen Perspektive zu betrachten.

Wo die Wirbelsäule eine stabilisierende Funktion hat, sind die Hüftgelenke auf Beweglichkeit ausgerichtet. Diese zentrale Robustheit der Wirbelsäule und die Beweglichkeit der äußerlichen Hüftgelenke sind im Normalfall perfekt aufeinander abgestimmt. Sie führen zu einer gesunden Alltagsmotorik und einer eindrucksvollen Motorik im Bereich des Sports, die sich in beiden Fällen durch Harmonie und Ästhetik auszeichnet.

Eine reduzierte Hüftbeweglichkeit führt unmittelbar zu einer Störung dieses motorischen Gleichgewichts. Die Stabilität der Lendenwirbelsäule nimmt ab, weil sie die reduzierten Bewegungen im Hüftgelenk ausgleichen muss, indem z.B. das Kreuzbein nach vorne kippt und das Hohlkreuz verstärkt wird.

Es sind nicht so sehr die „geschädigten“ Bandscheiben und Facettengelenke, die Kreuzschmerzen verursachen, sondern vielmehr die Kreuzbeinverbindungen mit der Lendenwirbelsäule (Lumbosakralgelenk) und dem Darmbein, das zugleich ein Gelenkteil des Hüftgelenks ist (Iliosakralgelenk). Insbesondere das verhältnismäßig großflächige Iliosakralgelenk hat nur wenig Bewegungsspielraum, maximal ungefähr 3 Grad und steht im starken Kontrast zur Hüfte mit ihrer großen und vielfältigen Beweglichkeit.

Das Iliosakralgelenk verbindet die Wirbelsäule mit dem Bein und ist als größtes Achsengelenk des Körpers, trotz seiner geringen Beweglichkeit ein wichtiges und biomechanisch vielfältiges, „echtes“ Gelenk mit Gelenkspalt, -flächen, -kapsel, -knorpel, einem ausgedehnten Bandapparat sowie einer hohen Dichte an Nozizeptoren für die Schmerzwahrnehmung. Diese Eigenschaften verleihen dem Iliosakralgelenk neben einer wichtigen sensorischen Funktion für die Schmerzwahrnehmung eine enorme Tragfähigkeit. Diese ist erforderlich, um die hohen Belastungen bei allen Formen des Gehens, Laufens und Springens zu bewältigen und so Schäden an der Wirbelsäule zu vermeiden.

Die typischste Beschwerde des beanspruchten Iliosakralgelenks, über die die meisten Patienten berichten und die sie auch gut lokalisieren können, ist der Schmerz seitlich entlang des Kreuzbeins in Höhe des Gelenks zwischen Kreuzbein und Darmbein. Dieser Schmerz kann über die verschiedenen Bindegewebe einerseits in den Beckenkamm und die Gesäßmuskeln und andererseits in die Rückenmuskulatur unmittelbar neben der Wirbelsäule ausstrahlen. Das funktionsgeschwächte Lumbosakralgelenk führt zu einem lokalen mittigen Schmerz.

Wenn sich die Hüfte nicht richtig bewegt, werden die Kreuzbeingelenke doppelt beansprucht

Aus motorischer Sicht sind neben der Beinmotorik sowohl die Motorik der Lendenwirbelsäule als auch die des Lumbosakralgelenks und des Iliosakralgelenks Teil des komplexen Bewegungssystems der Hüfte. Denn die Hüft- (oder Gesäß-)Muskeln haben eine Doppelfunktion: Sie strecken das Bein und balancieren zusammen mit den Bauchmuskeln, mit denen sie ein Kraftpaar bilden, gleichzeitig das Becken aus. So tragen sie die Last und vermeiden eine Überlastung der beiden Gelenke des Kreuzbeins. Eine bereits geringfügige Einschränkung der Hüfte beeinträchtigt dieses Gleichgewicht. Sie löst unmittelbar und unbewusst eine Hemmung der Hüftmuskulatur aus und als Dominoeffekt auch der Bauchmuskulatur. Durch die Last- und Hebelmechanismen sowie die Schwerkraft kippt das Becken nach vorne und nimmt die Lendenwirbelsäule mit. Dies führt zu endgradigen Positionen im Lumbosakral- und Iliosakralgelenk. Und da Endstellungen in diesen Gelenken sie überlasten, kommt es zu Kreuzschmerzen.

Mit starken Hüft- und Bauchmuskeln Kreuzschmerzen nachhaltig lindern

Wenn motorische Befunderhebung den unspezifischen Charakter des Kreuzschmerzes bestätigt, steckt keine ernsthafte Gewebeschädigung hinter einem auch intensiven Kreuzschmerz und man kann selbst einiges dagegen tun. Zum einen muss, je nachdem eine Bewegungseinschränkung der Hüfte aufgehoben sowie die Hüftmuskulatur gekräftigt werden, zum anderen muss das Gleichgewicht des Beckens beim Gehen wiederhergestellt werden. Diese motorische Fertigkeit kann gut erlernt und immer wieder geübt werden.

Regelmäßiges, richtiges und zügiges Spazierengehen in Verbindung mit Beweglichkeitsübungen für das Hüftgelenk können also Kreuzschmerzen effektiv lindern und zugleich das allgemeine Wohlbefinden verbessern. Für sportlichere Menschen mit Rückenschmerzen kommt das Joggen ins Spiel. Wichtig ist jedoch, dass die Dauer allmählich, aber stetig gesteigert wird. Schließlich fängt jede große Leistung klein an.

Fazit

Das trotz umfangreicher medizinischer und paramedizinischer Interventionen häufige Auftreten sowie der anhaltende Charakter von Kreuzschmerzen geben Anlass zu einer anderen Vorgehensweise. Da die Funktion des Hüftgelenks einen entscheidenden Einfluss auf die Belastbarkeit des Kreuzes hat, sollte bei der Schmerzbekämpfung auch die Stärkung der Funktion des Hüftgelenks im Vordergrund stehen. Richtiges Gehen und eventuell richtiges Laufen eignen sich perfekt dafür.

Übungsvideo

In diesem Übungsvideo erfahren Sie, wie Sie relativ einfach, aber effektiv Ihre Kreuzschmerzen entgegentreten können.

Der Inhalt dieses Beitrags basiert auf dem Inhalt des Buches „Trainingskonzeption für Patienten mit Rückenschmerz – PhysioNovo – Angewandte Rehabilitation und Sporttherapie“, erschienen beim Springer Nature Verlag.

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