Rheumatische Hand

Unterschiedliche entzündlich-rheumatische und verschleißbedingte (arthrotische) Erkrankungen können sich an den Händen so intensiv manifestieren, dass der erfahrene Arzt schon anhand dieser Veränderungen die Diagnosen vermuten bzw. sichern kann.

Die Hand ist die Visitenkarte des Rheumatikers. Diese Aussage ist kein zynischer Spruch, sondern enthält viel Wissen des Erfahrenen, der sich mit den vielfältigen Krankheitsbildern des entzündlichen Rheumas und der verschleißbedingten Veränderungen der Hand beschäftigt.

Häufigkeit

Die rheumatoide Arthritis (das entzündliche Gelenkrheuma) tritt mit einer Häufigkeit von etwa 0,6 bis 0,8 Prozent in Deutschland auf (circa 500.000 bis 650.000 Betroffene), die Hände sind dabei bei über 90 Prozent der Patienten befallen.

Die Polyarthrose der Hände tritt zunehmend im Alter auf, Frauen sind bis zu zehnmal häufiger betroffen als Männer und bei ihnen können die ersten Symptome schon ab dem 40. Lebensjahr auftreten.

Diagnose, Symptome und Verlauf

Sowohl die visuelle Beurteilung der Haut und der Fingernägel, als auch bildgebende Verfahren wie:

  • Ultraschalluntersuchungen (bei entzündlichen Schwellungen und Gelenkergüssen);
  • Röntgendarstellungen bei krankheitsspezifischen knöchernen Veränderungen der Fingergelenke;
  • MRT-Aufnahmen bei Entzündungen von Knochen und Weichteilen;
  • Szintigraphiemarkierungen (durch Isotope) von Gelenkentzündungen (Abb. 1);
  • Thermographische und Xiralite- (Farbstoff-Fluoreszenz) Markierungen;
  • und mikroskopische Gefäßdarstellungen durch den Fingernagelfalz hindurch (Abb.2)

ermöglichen Verdachts- und definitive Diagnosen.

Abb. 1: Szintigraphie: Isotopendarstellung von Gelenkentzündungen an den Händen mit Befall der Fingergrundgelenke und der Handgelenke (Quelle: Dr. Martin Talke)

Rheumatoide Arthritis (RA)

Die rheumatoide Arthritis (RA) – das entzündliche Gelenkrheuma – kann über eine Schwellung und Schmerzen vieler Fingergelenke fast eindeutig definiert werden, wenn diese Symptome länger als sechs Wochen bestehen (Abb. 3).

Typische Blutveränderungen (Rheumafaktoren, APCA, Entzün­dungsparameter) können zur Sicherheit in einer Laboruntersuchung mitbestimmt werden. Jedoch können die sichtbaren RA-Zeichen an der Hand für den erfahrenen Arzt fast beweisend sein.

Früher wurde die „Morgensteifigkeit“ der Hände als zusätzliches Krankheitskriterium für die rheumatoide Arthritis eingestuft. Auch anhand der krankheitsbedingten Fehlstellungen der Finger, der sogenannten Schwanenhals- und Knopflochdeformität (Abb. 4) und der Ellenabweichung der Hand (Abb. 5), kann klinisch die Verdachtsdiagnose einer fortgeschrittenen rheumatoiden Arthritis gestellt werden.

Im Idealfall kommt es aufgrund einer frühen Diagnostik und eines frühen Behandlungsbeginns nicht zu den schweren Fehlstellungen.

Abb. 3: Rheumatoide Arthritis mit starker Schwellung der Fingergrund- und einiger Fingermittelgelenke (Quelle: Dr. Martin Talke)
Abb. 4: Schwanenhalsdeformität am Mittelfinger und Knopflochdeformität am Ringfinger (Quelle: Dr. Martin Talke)
Abb. 5: Ellenwärtige Abweichung der Hände durch die Zerstörung der Hand- und der Grundgelenke der Finger (Quelle: Dr. Martin Talke)

Psoriasisarthritis

Auch bei der Psoriasisarthritis (Gelenkentzündung bei Schuppenflechte) zeigen sich verschiedene nahezu eindeutige Symptome an der Hand: Tüpfelnägel und Fingernagelverdickungen, entzündliche schmerzhafte Schwellungen von Grund-, Mittel- und Endgelenk der Finger, sogenannte Daktylitis (Abb. 6), Schuppenflechten des Handrückens und der Innenfläche und die typischen knöchernen Gelenkschäden im Röntgenbild sind nahezu beweisend für die Psoriasisarthritis.

Abb. 6: Daktylitis – Schwellung der Grund-, Mittel- und Endgelenke der Finger mit Weichteilveränderungen des Sehnengleitgewebes, hier am Zeigefinger rechts (Quelle: Dr. Martin Talke)

Entzündliches Weichteilrheuma

Sogar für die sogenannten Kollagenosen (entzündliches Weichteilrheuma) bestehen Nachweismethoden mit einem speziellen Kapillarmikroskop zur Untersuchung der Hand. Wenn damit veränderte Kapillaren unter dem Fingernagelfalz nachgewiesen werden, kann die Frühdiagnose einer systemischen Sklerose oder Sklerodermie gesichert und somit frühzeitig behandelt werden.

Gicht

Sehr selten werden hoch schmerzhafte heiße Schwellungen und Rötungen bei einem akuten Gichtanfall an den Fingern beobachtet. Im chronischen Stadium können bei familiärer Veranlagung und ohne Therapie schließlich auch geschwürartige Zerstörungen der Fingergelenke auftreten, in deren Zentrum sogar die sogenannten Gichtkristalle sichtbar werden können (Abb. 7).

Abb. 7: Akutes und chronisches Gichtgeschwür am Ringfinger (Quelle: Dr. Martin Talke)

Arthrosen der Hand

Von Laien werden häufig die harten Verdickungen der Fingergelenke als „Gichtknoten“ bezeichnet. Diese knöchernen Verdickungen (Arthrosen) der Fingerendgelenke (Heberden-Arthrose), der Fingermittelgelenke (Bouchard-Arthrose) und des Daumensattelgelenkes (Rhizarthrose) fallen alle unter den Sammelbegriff der Polyarthrosen der Hand. Diese für jedermann sichtbaren Gelenkknoten können sich über Jahre langsam schmerzarm oder schmerzhaft entwickeln und werden von den viel häufiger betroffenen weiblichen Patienten oft als entstellend empfunden (Abb. 8).

Die Ursache für die Polyarthrose ist nicht bekannt, allerdings werden hormonelle Umstellungen aufgrund der Wechseljahre diskutiert. Gelegentlich sind die gelenkzerstörenden (erosiven) Prozesse hoch entzündlich und sehr schmerzhaft und können im betreffenden Gelenk kaum von der rheumatoiden Arthritis unterschieden werden.

Die entzündlichen Erkrankungen an der Hand lassen sich noch schwieriger deuten, wenn zu einer bereits bestehenden Polyarthrose eine später „aufgepfropfte“ rheumatoide Arthritis – eine sogenannte Pfropfarthritis – hinzukommt, die dann als systemische, das heißt den ganzen Körper betreffende, Erkrankung behandelt werden muss (Abb. 9).

Abb. 8: Polyarthrose der Hände mit extremer Daumenfehlstellung (Adduktionskontraktur) (Quelle: Dr. Martin Talke)
Abb. 9: Röntgenbild einer Pfropfarthritis (beidseitig) (Quelle: Dr. Martin Talke)

Schnellender Finger

Die Tendovaginitis (Beugesehnenscheidenentzündung) im Bereich der Ringbänder in Höhe der Grundgelenke der Finger ist im hochakuten Stadium als Schwellung im Hohlhandbereich erkennbar. Viel eindeutiger ist die Diagnose zu stellen, indem der Arzt den betroffenen Bereich mit seinen Fingern untersucht (sogenannte Palpation) und dann durch Druck einen typischen Schmerz zur Diagnosesicherung erzeugt. Da diese entzündliche Schwellung das Gleiten der Beugesehnen blockieren kann, wird diese Erkrankung auch als schnellender oder schnappender Finger (digitus saltans) bezeichnet.

Karpaltunnelsyndrom

Durch die gleiche Ursache – entzündliche, hormonelle oder mechanische Schwellung der Beugesehnenscheiden im Karpaltunnel – wird der ebenfalls durch den Tunnel verlaufende Medianus-Nerv komprimiert. Dieses Krankheitsbild (Karpaltunnelsyndrom – KTS) kann entweder im Ultraschall oder elektro-physiologisch durch eine Elektromyografie (EMG) bzw. eine Untersuchung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) oder sehr selten durch einen Schweißtest nachgewiesen werden.

Therapie

Ist der Untersucher sich in der Diagnosefindung mittels der geschilderten Techniken sicher, so sollte die Therapie erfolgen. Die Therapie kann entweder systemisch oder lokal oder nach beiden Prinzipien gleichzeitig durchgeführt werden:

a) Systemisch, das heißt für den ganzen Organismus und damit auch mit Wirkung an der Hand und/oder

b) Lokal, das heißt dort, wo die Entzündungssymptome wie Schmerz, Schwellung, Wärme und eingeschränkte Funktion der Hand am ausgeprägtesten sind.

Systemische Therapie

Anfangs kann ein Behandlungsversuch mit nicht-kortisonhaltigen Rheuma­medikamenten (Nichtsteroidale Antirheumatika – NSAR) wie Diclofenac, Ibuprofen oder Coxiben gerechtfertigt sein, vorbehaltlich kurzfristiger Wirkkontrollen in zwei- bis vierwöchigen Abständen.

Wenn etwa sechs bis zwölf Wochen nach dem ersten Auftreten der Entzündung vergangen sind und die Diagnose rheumatoide Arthritis durch die zuvor geschilderten Untersuchungsmethoden gesichert werden konnte, wird eine frühzeitige effektive Behandlung, eine Basistherapie mit DMARDs (Disease-modifying anti-rheumatic drugs – die Krankheit beeinflussende Medikamente) unverzüglich eingeleitet.

Während früher mit NSAR und Kortison behandelt wurde (seit etwa 60 Jahren), haben heute die DMARDs den entscheidenden Anteil in der Frühbehandlung übernommen. Der Goldstandard ist heute – wenn keine Kontraindikationen bestehen – die Gabe von MTX (Methotrexat), meist ergänzt durch Folsäure. Im hochakuten Stadium wird die Therapie mit Kortison kombiniert. Beim Versagen oder Kontraindikationen sollte Leflunomid zum Einsatz kommen. Als intensive Basistherapie gilt die Dreifachtherapie mit MTX, Sulfasalazin und Quensyl.

Wenn die Basistherapie im frühen Krankheitsstadium (sechs bis zwölf Monate nach Symptombeginn der RA) konsequent durchgeführt und überwacht wird, besteht eine realistische Chance auf Remission der Krankheit. Dies heißt Stillstand der Erkrankung mit oder ohne weitere Medikamentengabe und der Hoffnung, dass es nicht zu Gelenkveränderungen bzw. zur Gelenkzerstörung kommt.

Erst wenn sich die Entzündung auch nach drei bis sechs Monaten nicht verbessert, kann eine Therapie mit den teuren TNF-α-Blockern oder Biologika begonnen werden. So ist es mittlerweile möglich, dass ein Drittel bis die Hälfte der Erkrankten in den Zustand kommt, der als Remission bezeichnet wird – ein Therapieergebnis, an welches vor sechzehn Jahren noch nicht zu denken war.

Seit 2017 sind die sogenannten JAK-Kinase-Hemmer mit etwa gleichem Wirkprofil in Deutschland zugelassen. Diese können in Tablettenform eingenommen werden.

So kann auf die subkutan oder intravenös angewandten Biologika verzichtet werden. Diese Enzyme ermöglichen es, die RA-Zellen auf intrazellulärer Ebene zu beeinflussen. Eine sogenannte Signaltransduktion bewirkt eine Informationsübertragung auf die Rezeptoren der Zellen. So kommt es zu einer intrazellulären Reaktion (Zelltod und Zellwachstumsregulierung) als Immunantwort und schließlich zur Beeinflussung der Entzündung.

Lokale Therapie

Bei der lokalen Therapie der RA findet – bei genauer Kenntnis der Anatomie und unter Einhaltung der Hygienevorschriften – in erster Linie die Kortisoninjektion in das hochentzündete Gelenk Anwendung. So kann mit einer tausendfach höheren Konzentration als bei oraler Einnahme, das Kortison seine entzündungs- und schmerzreduzierende Wirkung im Gelenk entfalten.

Nach zweimaliger Kortisoninjektion ist die Schwellung und Entzündung in der Regel soweit verschwunden, dass auch wieder ein Ehering am typischen Ort getragen werden kann (Abb. 10).

Auch für Salben mit nicht-kortisonhaltigen Rheumawirkstoffen konnte eine Entzündungshemmung an den Händen nachgewiesen werden. Zudem lassen sich auch mit physikali­schen Mitteln wie Eis, Wärme, Akupunktur, Strom, Ultraschall, Laser, Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT), und Ergotherapie lindernde Effekte erzielen. Im Falle der Polyarthrose, besonders bei der Daumensattelgelenksarthrose, bewirken Hyaluronsäure-Injektionen durch die „Schmierung“ des Gelenks eine Verbesserung von Schmerz und Funktion (Intraartikuläre Hyaluronsäure-Therapie).

Abb. 10: Links: Durch die Mittelgelenksschwellung am Ringfinger kann die Rheumatikerin ihren Ring nur noch am kleinen Finger tragen. Rechts: Nach Kortisoninjektion passt der Ring wieder am richtigen Finger. (Quelle: Dr. Martin Talke)

Operation

Sollten die konservativen Methoden nicht zum Ziel führen, so kann durch die operative Entfernung der entzündlich verdickten Gelenkinnenhaut (Synovialektomie), durch Spaltung von Ringbändern (schnellender Finger, Karpaltunnelsyndrom), durch Sehnenumlagerungen sowie durch Gelenkersatz beim zerstörten Fingergelenk (erosive Arthritis, schwerste Arthrose) der „rheumatischen“ Hand geholfen werden.

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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Umstrittene Wirksamkeit
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