Klinik vor Ort: Schmerzfrei – Wunsch und Wirklichkeit

In der Serie "Klinik vor Ort" berichtet die Redakteurin Inga Mennen M. A. in Zusammenarbeit mit dem Chirurgen Dr. Bernd Sauer aus dem Krankenhaus Wittmund. Heute: Schmerztherapie. Kein Patient soll leiden. Es gibt viele Möglichkeiten dem Patienten zu helfen: Anästhesie und systemische Schmerztherapie.
©Dragana Gordic - stock.adobe.com

„Indianer kennen keinen Schmerz“. So hieß es bei Karl May und so mussten auch Patienten nach Operationen erstmal tapfer sein. „Diese Einstellung hat sich glücklicherweise verändert“, sagt Dr. Hagen Behnke. Schmerzen gelten heute neben beispielsweise Atmung und Blutdruck als fünftes Vitalzeichen und gehören damit zeitnah behandelt. „Das häufig beworbene Schmerzfreie Krankenhaus gibt es natürlich nicht. Da muss man schon realistisch bleiben“, sagt der Chefarzt der Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin sowie Notfallmedizin im Wittmunder Krankenhaus.

Eines von fünf Vitalfunktionen

Aber seine Kollegen und er versuchen alles, den Menschen die Schmerzen zu nehmen. „Wenn man Angst hat, dann vor Atemnot und Schmerzen“, erklärt der 59-Jährige. Dabei ist Schmerz nicht messbar wie ein Blutdruck oder eine Herzfrequenz. Dennoch gehört er neben der Atmung, der Körpertemperatur, dem Kreislauf und dem Bewusstsein zu den Vitalfunktionen des menschlichen Körpers. „Viele Patienten, die zu mir kommen, haben vor allem nach den Operationen Angst davor, dann an Schmerzen zu leiden“, sagt Hagen Behnke. Aber dagegen kann die Medizin heutzutage so einiges tun. Und Sätze wie „dann tut das halt mal weh“, muss sich heute keiner mehr anhören – denn der Schmerz wird ernst genommen. Dabei ist er nicht nur lästig, so der Chefarzt, sondern beeinträchtigt den Menschen ganzheitlich.

Auswirkungen auf den Körper

Starker Schmerz wirkt sich somit auch auf andere Funktionen aus – auf den Herzschlag, den Blutdruck oder den Blutzuckerspiegel. „Der Patient hat ein Anrecht auf die Schmerztherapie“, sagt der Mediziner. Und so soll natürlich auch in Wittmund niemand leiden, wenn er nach dem Eingriff in den Aufwachraum gefahren wird. „Nach einer Operation am Knie zum Beispiel habe ich die Möglichkeit, per Lokalanästhesie zu helfen“, sagt Hagen Behnke und zeigt es gleich am Patienten, der aus der Narkose aufgewacht ist. Er hatte sich eines Eingriffes an der Kniescheibe unterziehen müssen und das tut natürlich weh. Dr. Hagen Behnke wird ihm gleich die Schmerzen nehmen. Mehrmals wird die Einstichstelle desinfiziert und dann steril abgedeckt.

Mit der dünnen, langen Nadel wird das Mittel direkt in die Nähe des Nervs injiziert. So wird dieser „lahm“ gelegt und leitet den Schmerz nicht mehr ans Gehirn weiter. ©Inga Mennen M.

Mit einem Ultraschall erkennt der Arzt die Muskeln und die Schlagader und eben auch den Nerv in der Leiste, der die Schmerzen sozusagen über eine eigene Autobahn an das Gehirn weiterleitet. Nun gilt es diese „Straße“ lahm zu legen – mit entsprechenden Mitteln. Hat der Mediziner die richtige Stelle getroffen, führt die lange, dünne Nadel ein, durch die jetzt 40 Milliliter Lokalanästhetikum gespritzt werden. Das Medikament wird nicht direkt in den Nerv, sondern daneben injiziert. „Es entsteht ein Schmerzmitteldepot“, erklärt Hagen Behnke. Und darüber ist auch der Patient froh.

Chefarzt Dr. Hagen Behnke spritzt dem frisch operierten Patienten ein Medikament, um den Nerv zu betäuben. ©Inga Mennen M.

Ein Cocktail aus Medikamenten

Nur wenige Minuten nach der Injektion gibt es für ihn Erleichterung. „Das ist super, es tut gar nicht mehr weh“, sagt er dankbar. Fünf bis sechs Stunden hat der Mann nun Ruhe, er wird auf die Station verlegt. Aber auch dort muss er keine Sorge haben, dass er vor Schmerzen „die Wände hoch geht“. Es gibt ausgearbeitete Pläne, an die sich auch die Pfleger halten. „Das sind standardisierte Handlungsanweisungen, die wir in dem sogenannten Schmerzschema zusammengefasst haben“, erklärt der Chefarzt. Verabreicht werden dann sogenannte systemische Schmerzmittel, also diejenigen, die man oral einnimmt. Sie wirken sich natürlich nicht nur an der schmerzenden Stelle aus, sondern auf den gesamten Körper. „Es ist eine Art Medikamentencocktail“, erklärt der Arzt. Und so nennt sich die Beigabe nach einer Knieoperation wohlklingend „Femoralis-Block-Single shot“ – könnte auch ein Getränk in einer Bar sein.

Unterschieden wird zwischen Nichtopioid-Analgetikum, den schwach wirksamen Opioiden und den starken Opioiden. Nun muss aber kein Mensch Sorge haben, davon abhängig zu werden. Mit Hilfe dieser „Baukasten-Schmerztherapie“ kann der Patient ohne von Schmerzen gequält zu sein, von der frühzeitigen Physiotherapie profitieren. Das ist ganz wichtig für die spätere Funktion. „Jeder Mensch ist anders im Schmerzempfinden, es ist immer eine subjektive und auch psychologische Angelegenheit“, sagt der Arzt, der dem Patienten seinen Angaben wie hoch der Schmerz ist voll vertrauen muss.

Ärzte auf Orthinform in Ihrer Umgebung

Passende Lexikonartikel

Fehler: Ihr Standort konnte nicht ermittelt werden.

Leider konnten wir mit Hilfe des Browsers Ihren ungefähren Standort nicht ermitteln, weitere Informationen erhalten sie auf der Seite aktueller Standort.