Reaktive Arthritis

Der Begriff „Reaktive Arthritis“ (ReA) bezeichnet eine nicht-bakterielle Entzündung eines oder mehrerer Gelenke (typischerweise der großen Gelenke der unteren Körperhälfte) in Folge einer bakteriellen gelenkfernen Infektion. Synonyme sind postinfektiöse Arthritis oder Morbus Reiter (Reiter-Krankheit, siehe unten).

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Neben den Gelenkbeschwerden können weitere Symptome dazukommen und zwar Harnröhren- und Augenentzündung. Auch Störungen der Haut können im Rahmen einer ReA auftreten. Die ReA gehört zur Gruppe der Spondylarthritiden (spondylos: Wirbel, arthron: Gelenk, -itis: Entzündung), also Entzündungen welche Wirbelsäule und Gelenke betreffen.

Die ReA tritt insbesondere nach Infekten im Magen-Darm-Bereich oder nach Infekten im Bereich der Harnwege oder der Geschlechtsteile auf, ist jedoch die genaue Ursache nicht erklärbar oder wird vom Patienten nicht erinnert.

Häufigkeit

Da die genaue Diagnose aufgrund der Ähnlichkeit mit anderen Spondylarthritiden (s.o.) häufig ausbleibt, schwanken die Angaben zur Häufigkeit. Die Inzidenz (also die Häufigkeit mit der die Erkrankung bezogen auf eine bestimmte Population in einem definierten Zeitraum auftritt) beträgt 1‑30/100.000 pro Jahr. Am häufigsten betroffen sind Männer im Alter von 20-40. Bei Kindern ist die Erkrankung selten. Nach Infekten des Magen-Darm-Traktes sind Frauen- und Männer mit gleicher Häufigkeit betroffen, bei Infekten der Harnwege oder Geschlechtsteile sind häufiger Männer betroffen.

Symptome und Verlauf

Die Beschwerden treten typischerweise ein bis drei Wochen nach einer durchgemachten Infektion des Magen-Darm-Traktes oder der Harnwege bzw. der Geschlechtsteile auf. Zunächst dominiert die bakterielle Infektion mit (teilweise sehr starken) Durchfällen oder Brennen beim Wasserlassen bzw. häufigem Harndrang mit kleinen Urinmengen. Ebenfalls kann vermehrter Ausfluss (als Zeichen einer Entzündung des Genitaltraktes) auftreten, dieser kann klar oder blutig sein und schmerzfrei oder mit Bauchschmerzen einhergehen.

Nach den initialen Beschwerden treten dann typischerweise Schmerzen in den großen Gelenken der unteren Extremität auf mit einer Schwellung (auch eine Überwärmung der Gelenke kann auftreten). Im Durchschnitt sind vier Gelenke betroffen. Die Knie können sehr stark anschwellen. Seltener können auch Gelenke der Arme und Hände betroffen sein, dann jedoch eher milde und eher die kleineren Gelenke der Finger.

Weitere Beschwerden, die im Muskel-Skelett-System auftreten können, sind: Schmerzen im Ansatzbereich von Sehnen und Bändern (Enthesitis oder Enthesopathie), beispielsweise an der Achillessehne (die an der Ferse ansetzt) oder an der Patellarsehne (die am Schienbeinkopf ansetzt); Schmerzen im Bereich des Kreuz-Darmbein-Gelenks (dem sogenannten ISG-Gelenk), diese können in das Gesäß und den Oberschenkel ausstrahlen.

Nicht-muskuloskelettale Beschwerden der ReA können Augenschmerzen (verursacht durch verschiedene Augenerkrankungen), Brennen beim Wasserlassen aber auch Hautauffälligkeiten und Probleme mit dem Herzen sein. Die Reaktive Arthritis ist also eine Erkrankung, die immer auch durch verschieden Spezialisten abgeklärt werden sollte.

Diagnose

Typischerweise stellen sich die Patienten nach vorher durchgemachter Infektion mit Schmerzen in mehreren großen Gelenken an beiden Beinen vor. Um die klinische Diagnose Reaktive Arthritis zu stellen müssen jedoch folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

Major Kriterien – aktuelle Beschwerden (zwei von drei müssen zutreffen):

  • Asymmetrische Beschwerden
  • Ein- oder mehrere Gelenke
  • Betroffen sind die unteren Extremitäten

Major Kriterien – durchgemachte Infektion (eins von zwei muss zutreffen):

  • Durchgemachter Magen-Darm-Infekt (d.h. Durchfall für mind. 1 Tag, 3 Tage bis 6 Wochen vor Beginn der Gelenkschmerzen)
  • Durchgemachter Harnwegsinfekt (d.h. Schmerzen beim Wasserlassen oder Ausfluss für mindestens 1 Tag, 3 Tage bis 6 Wochen vor Beginn der Gelenkschmerzen)

Minor-Kriterien (mindesten eins muss zutreffen):

  • Nachweis der auslösenden Infektion (bestimmte Nachweise von Chlamydien (eine Bakterienart), positive Stuhlproben für Darmbakterien von denen man weiß, dass sie eine Reaktive Arthritis auslösen können)
  • Nachweis einer bestehenden Besiedelung des Gelenks mit Anteilen von Chlamydien

Wenn beide Major-Kriterien und ein Minor-Kriterium zutreffen, so kann die Diagnose „Reaktive Arthritis“ als sicher gelten, wohingegen man von einer wahrscheinlichen Diagnose spricht, wenn beide Major-Kriterien ohne Minor-Kriterium oder ein Major-Kriterium und ein oder mehr der Minor-Kriterien vorliegen.

Der untersuchende Arzt wird, insbesondere um die Unterscheidung zur eitrigen Arthritis (also einer Infektion des Gelenks mit Bakterien, die zu einer schnellen Zerstörung des betreffenden Gelenks führen kann und einen orthopädischen Notfall darstellt) zu ermöglichen, mindestens eins der betroffenen Gelenke punktieren. Das gewonnene Punktat kann auf Bakterien und auch auf andere Parameter untersucht werden. Weiterhin wird eine Blutuntersuchung durchgeführt werden.

Im Blut kann man unspezifische Entzündungsparameter nachweisen, die jedoch sowohl bei der bakteriellen, als auch bei der nicht-bakteriellen Gelenkentzündung erhöht sein können.

Ein Röntgenbild wird Aufschluss darüber geben, ob die Aktivierung einer Arthrose für die Beschwerden im betreffenden Gelenk eine mögliche Differentialdiagnose darstellt. Dies kann auftreten, wenn das Gelenk durch Arthrose (Gelenkverschleiß) vorgeschädigt ist und stellt wiederum eine Form der entzündlichen Arthritis dar, die jedoch eine andere Ursache hat als die Reaktive Arthritis.

Häufig ist die Unterscheidung zu rheumatologischen Erkrankungen nicht einfach, daher kann auch eine Abklärung beim Rheumatologen notwendig werden. Ein Marker im Blut, das HLA-B27, ist bei Patienten mit Reaktiver Arthritis (und auch anderen Spondylarthritiden) häufig erhöht.

Da auch andere Organsysteme betroffen sein können, sollte bei entsprechendem Verdacht eine Abklärung mit anderen Fachdisziplinen erfolgen (bspw. Augenärzten, Nieren- und/oder Herzspezialisten).

Therapie

Die Therapie besteht zunächst in der Therapie der zugrundeliegenden Infektion. Antibiotika sind beispielsweise für Infektionen des Urogenitaltrakts notwendig, wohingegen unkomplizierte (auch bakterielle) Infektion des Magen-Darm-Trakts häufig keiner Behandlung mit Antibiotika bedürfen. Eine spezifische Therapie für die Reaktive Arthritis existiert nicht, da das Krankheitsbild immer noch nicht in Gänze verstanden ist. Basismedikamente sind jedoch sicherlich die nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR, wie Ibuprofen oder Diclofenac). Hierbei gibt es kein NSAR das dem anderen überlegen ist. Aspirin allerdings scheint keine besonders gute Wirkung bei Reaktiver Arthritis zu haben. Cortisoninfiltrationen in die betreffenden Gelenke können eine Besserung der Beschwerden bewirken (jedoch muss dazu insbesondere die eitrige Gelenkinfektion ausgeschlossen werden). Dies kann ultraschallgesteuert sehr genau in die Gelenke injiziert werden. Begleitsymptome sollten wie bei der Diagnose auch über die entsprechenden Fachdisziplinen behandelt werden. Bei chronischem Verlauf kann eine Erweiterung der Therapie mit einer systemischen Immunsuppression oder mit speziellen antirheumatischen Medikamenten (disease-modifying anti-rheumatic drugs, DMARDs) notwendig sein.

Prognose

Die Prognose der Erkrankung ist generell gut, wenn auch viele Verläufe möglich sind. Nur selten kommt es zu einer langfristig bestehenden Erkrankung.

Literatur und weiterführende Links

1. https://www.rheuma-liga.de/fileadmin/public/main_domain/Dokumente/Mediencenter/Publikationen/Merkblaetter/1.15_Reaktive_Arthritis.pdf

2. Rihl M, Kuipers JG (2012) Reaktive Arthritis. In: Peter et al. (Hrsg) Klinische Immunologie Urban & Fischer München, S. 250–255

3. Hospach, T., Minden, K. & Huppertz, HI. Reaktive Arthritis – ein Update. Monatsschr Kinderheilkd 169, 177–189 (2021). https://doi.org/10.1007/s00112-020-01046-z

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

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