Ausgekugelte Schulter

Der große Bewegungsumfang der Schulter beruht auf einem annähernd kugelförmigen Oberarmkopf, der auf einer relativ kleinen, flachen Gelenkpfanne ruht. Aufgrund dieser geringen knöchernen Begrenzung kann das Schultergelenk leichter auskugeln. Dies wird auch als Schulterluxation bezeichnet.

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Häufigkeit

Die Schulterluxation ist eine der häufigsten Schulterverletzungen und die häufigste Gelenkverrenkung überhaupt. Vor allem junge und sportlich aktive Patienten sind betroffen. Bei Sportarten wie zum Beispiel Handball, Basketball, Fußball, Football oder Ski- und Snowboardfahren mit einem hohen Sturzrisiko und/oder Gegnerkontakt besteht eine erhöhte Gefahr eine Schulterluxation zu erleiden. Aber auch ältere Patienten können sich zum Beispiel im Rahmen eines Sturzes die Schulter „auskugeln“. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es dabei häufiger zu Begleitverletzungen kommt.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache für eine Schulterluxation ist in den allermeisten Fällen ein Unfall mit Sturzereignis oder Hebelwirkung auf den Arm. Insbesondere bei abgespreiztem und nach außen gedrehtem Arm kann es dazu kommen, dass der Oberarmkopf – bei entsprechender Krafteinwirkung von außen – aus der Schulterpfanne springt. Am häufigsten ist die Luxation nach vorne unten, seltener kommt es zu Verrenkungen nach hinten. Als Risikofaktoren sind insbesondere ein junges Patientenalter, Kontakt-/Risikosportarten, generelle „Überbeweglichkeit“ und vorherige Schulterluxationen zu nennen.

Symptome und Verlauf

Bei einer Schulterluxation kommt es zu akuten Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der Schulter. In der Regel ist die Verrenkung beziehungsweise der sich in Fehlstellung befindende Oberarmkopf schon äußerlich erkennbar. Eventuell kann es zu Kribbel- oder Taubheitsgefühlen an Arm oder Hand kommen. Diese gelten als Warnzeichen für eine Nervenschädigung und sollten dringend ärztlich abgeklärt werden. Die Einrenkung (Reposition) des Gelenks sollte zügig, unter kontrollierten Bedingungen im Krankenhaus erfolgen.

Nachdem die Schulter einmal ausgekugelt war, kann es vor allem bei jungen und aktiven Sportlern zu wiederholten Luxationen kommen. Hierfür kann dann gegebenenfalls schon ein geringes Trauma ohne besondere Krafteinwirkung oder sogar eine alltägliche Bewegung wie zum Beispiel das Anziehen einer Jacke ausreichend sein. Man spricht dann von einer wiederkehrenden (rezidivierenden oder habituellen) Schulterinstabilität.

Diagnose

Die Diagnose lässt sich in der Regel bereits durch Betrachten und Abtasten des Schultergelenks stellen, sollte jedoch stets mit Hilfe von Röntgenaufnahmen gesichert werden. Das Röntgen dient vor allem dem Ausschluss von begleitenden Frakturen des Oberarmkopfes oder der Gelenkpfanne und dazu, die Richtung der Luxation festzustellen. In einer kurzen körperlichen Untersuchung werden durch die Luxation verursachte mögliche Nervenschädigungen ausgeschlossen.

Nachdem die Schulter wieder eingerenkt wurde, sollte eine erneute Röntgenkontrolle durchgeführt werden, um die erfolgreiche Reposition zu bestätigen und mögliche Frakturen auszuschließen. In einer erneuten körperlichen Untersuchung wird auf das Vorhandensein von eventuellen Begleitverletzungen geachtet. Im Verlauf kann zur Abklärung eine weiterführende radiologische Diagnostik notwendig sein. So lassen sich Verletzungen von Muskel-Sehnen-Ansätzen oder des Kapsel-Band-Apparates zum Beispiel im Ultraschall (Sonographie) oder mit Hilfe einer Magnetresonanztomographie (MRT) gut darstellen. Bei dem Verdacht auf knöcherne Begleitverletzungen ist eher eine Computertomographie (CT) richtungsweisend.

Als häufige Begleitverletzungen sind die sogenannte Bankart-Läsion, Hill-Sachs-Delle, Ruptur der Rotatorenmanschette und knöcherne Abscherfrakturen des Pfannenrandes zu nennen. Die Bankart-Läsion ist fast schon definierend für eine Schulterluxation und tritt sehr häufig auf. Hierbei handelt es sich um einen Abriss der Gelenklippe (Labrum), welche um die Schulterpfanne verläuft. Je nach Schwere der Verletzung können hierbei auch weitere Kapsel-Band-Strukturen mit abreißen oder gar eine Ruptur der sogenannten Rotatorenmanschette (Muskel-Sehnen-Platte um das Schultergelenk) auftreten. Die sogenannte Hill-Sachs-Delle ist ein Eindrückungsbruch (Impressionsfraktur) des Oberarmkopfes, der während der Luxation durch ein Anschlagen des Oberarmes am Pfannenrand auftritt. Bei wiederholt auftretenden Schulterluxationen kann es zu einem Verlust an Knochenmaterial am Pfannenrand kommen, was wiederum das Auftreten erneuter Luxationen begünstigt.

Therapie und Nachsorge

Die Therapie richtet sich ganz grundlegend nach der Schwere des Unfalls und auch danach, ob die Schulter erstmalig „ausgekugelt“ ist oder es bereits vorher zu wiederholten Luxationen kam. Nach Durchführung der Einrenkung werden konservative Verfahren (zum Beispiel Ruhigstellung der Schulter, Physiotherapie) von verschiedenen operativen Verfahren unterschieden. Welches Verfahren geeignet ist, hängt von Faktoren wie zum Beispiel dem Patientenalter, Aktivitätslevel sowie der Art und Schwere von Begleitverletzungen ab.

Einrenkung (Reposition)

Ziel ist es, die Schulter schnellstmöglich und dennoch unter kontrollierten Bedingungen wiedereinzurenken (zu reponieren). Durch behutsamen Zug und leichte Drehbewegungen am Arm gelingt es in der Regel die Schulter zu reponieren. Die Einrenkung erfolgt unter Schmerzmedikation und einer leichten Betäubung, um ein Lockerlassen durch den Patienten zu ermöglichen. Eine direkte Reposition zum Beispiel am Spielfeldrand ist nur in Ausnahmefällen und bei äußerst erfahrenen Therapeuten zu empfehlen.

Konservative Therapie

Unmittelbar nach Durchführung der Reposition, dem Einrenken wird die Schulter in einer Schlinge oder einer sogenannten Orthese ruhiggestellt, was vor allem der Schmerzreduktion in schonender Haltung dient. Die Ruhigstellung (Immobilisation) der Schulter bzw. des Armes kann in unterschiedlichen Positionen erfolgen. Die wohl geläufigste Methode ist die Ruhigstellung in Innenrotation. Hierbei wird der Arm in einer Schlinge nah am Körper in Innendrehung fixiert. Es gibt jedoch Hinweise in wissenschaftlichen Studien, dass eine Ruhigstellung bei abgespreiztem und außenrotiertem Arm Vorteile hinsichtlich der Häufigkeit des Wiederauftretens (Rezidivrate) hat, also das Risiko für eine erneute Luxation reduziert. Dies ist Gegenstand aktueller Forschungen und bisher noch nicht abschließend geklärt.

Begleitend oder im Anschluss an die Immobilisationstherapie sollte eine gezielte Physiotherapie durchgeführt werden. Diese dient vor allem der Harmonisierung der aus dem Gleichgewicht geratenen Bewegungsabläufe des Schultergelenkes und der Muskelkräftigung. Anfangs sollten diese Übungen unter Anleitung erfolgen, können im Verlauf aber auch gut in Eigenregie durchgeführt werden.

Die konservative Therapie ist vor allem für ältere Patienten geeignet, die einen geringen Funktionsanspruch an ihre Schulter haben und in der Diagnostik keine relevanten Begleitverletzungen aufweisen. Die Entscheidung, welches Therapieverfahren am geeignetsten ist, sollte stets im Einzelfall getroffen werden.

Operative Therapie

Hinsichtlich der operativen Therapie werden minimalinvasive Verfahren von konventionellen, offenen Techniken unterschieden. Ziel der operativen Therapie ist es, die Schulter zu stabilisieren. Heutzutage können die allermeisten Patienten in der sogenannten Schlüssellochtechnik (Gelenkspiegelung, Arthroskopie) operiert werden. Mit Hilfe dieser minimalinvasiven Verfahren lassen sich Komplikationen der offenen Verfahren, wie zum Beispiel Infektionen, Wundheilungsstörungen, längere Rehabilitation oder ein schlechtes kosmetisches Resultat reduzieren.

Weiterhin unterscheidet man sogenannte Weichteilstabilisierungen von den knöchernen Aufbauverfahren (Augmentationsverfahren), welche sowohl arthroskopisch als auch offen durchgeführt werden können. Die häufigste Methode der Schulter-OP nach einer Schulterluxation ist die Weichteilstabilisierung, bei der die durch die Verrenkung abgelöste Gelenklippe (Labrum, Bankart-Läsion) wieder am Pfannenrand fixiert wird. Bei knöchernen Begleitverletzungen kann eine zusätzliche Fixierung der abgesprengten Knochenstücke (Fragmente) notwendig sein. Die knöchernen Augmentationsverfahren finden Anwendung, wenn es – vor allem im Rahmen wiederholter Luxationen – zu einem Abrieb des Knochens am vorderen Pfannenrand gekommen ist. In diesen Fällen sind reine Weichteilstabilisierungen häufig nicht ausreichend und es bedarf einer knöchernen Verstärkung der Gelenkpfanne. Hierbei können körpereigene Knochen wie zum Beispiel vom Beckenkamm oder dem sogenannten Rabenschnabelfortsatz der Schulter (Korakoid) sowie Spenderknochen verwendet werden.

Welches operative Verfahren individuell geeignet ist, hängt vor allem vom Patientenalter, Aktivitätslevel sowie Begleitverletzungen und Anzahl der Luxationen ab. Die bereits beschriebene Hill-Sachs-Delle (siehe Abschnitt zur Diagnose) muss in Abhängigkeit von Lage und Größe, unter Umständen ebenfalls chirurgisch behandelt werden. Hierbei wird Weichteilgewebe in den Defekt eingenäht, um weitere Schäden oder erneute Luxationen zu verhindern.

Nachsorge

Nach der Operation wird die Schulter für drei bis sechs Wochen in einer sogenannten Orthese ruhiggestellt. In dieser Zeit erfolgt ausschließlich eine passive Mobilisation (Bewegung der Schulter von außen) durch die Physiotherapie. Im Anschluss daran wird mit zunehmender aktiver Mobilisation (eigenständige Bewegung der Schulter) begonnen und die Muskulatur gekräftigt. Bis sechs Wochen nach der Operation darf der Arm nicht nach außen gedreht werden. Überkopfsportarten, Werfen und Kontaktsportarten sind für mindestens drei Monate nicht erlaubt. Eine Sportfreigabe sollte immer in Ansprache mit dem Operateur erfolgen.

Hinweise für Patienten

Dieser Lexikoneintrag enthält nur allgemeine Informationen und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

Off-Label-Use
Hinweis: Die Anwendung des oder der oben genannten Arzneimittel ist für die aufgeführten Indikationen eventuell nicht offiziell zugelassen. Es handelt sich in diesem Fall um einen sogenannten Off-Label-Use des Präparates, der von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet wird.
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Umstrittene Wirksamkeit
Hinweis: Bei den oben aufgeführten Diagnose- bzw. Behandlungsverfahren kann es sich eventuell um wissenschaftlich umstrittene und derzeit nicht von allen Experten wissenschaftlich anerkannte Methoden handeln. Die Kosten dieser Anwendungen werden von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen oder Beihilfen in der Regel nicht erstattet.
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